„Arm trotz Arbeit“ war das Thema einer Veranstaltung, zu der die SPD Feucht eingeladen hatte. Gemeinderat Ernst Klier führte in die Thematik ein. Obwohl die Arbeitslosenzahlen seit vielen Jahren mit unter 3 Mio. einen Tiefstand erreicht hätten, trübe sich das glänzende Bild bei näherer Betrachtung: Über 1,1 Mio. Beschäftigte erhielten als sog. „Aufstocker“ zusätzlich zu ihrem Lohn noch Leistungen aus dem Arbeitslosengeld 2 (Hartz 4). Auch dass inzwischen viele einen zweiten oder dritten Job hätten um überhaupt über die Runden zu kommen, sei keine Seltenheit. Klier freute sich, Gesprächspartner begrüßen zu können, die durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit oder durch den Beruf mit dem Thema konfrontiert sind.
Von der „Nürnberger Land Tafel“ berichteten Frau Erika Sichert und Frau Heike Kokesch sowie der Vorsitzende Jan von der Oest, dass im Landkreis insgesamt 645 Ausweise zum Empfang der Lebensmittel ausgestellt sind und im Monat rund 3.500 Mal Lebensmittel an die Berechtigten ausgegeben werden. Am stärksten sind Hartz IV-Empfänger beteiligt. Sie sind für die Arbeit der „Tafel“ sehr dankbar und bemühen sich trotz vieler erfolglosen Bewerbungen immer wieder darum, einen Arbeitsplatz zu finden. In letzter Zeit wenden sich mehr und mehr auch Rentnerinnen und Rentner sowie Geringverdiener an die „Tafel“. Frau Sichert: „Was wir hier an Not erfahren, kann man sich nicht vorstellen. Bei uns geht es unbürokratisch und menschlich zu. Wo wir irgendwie helfen können tun wir was.“ Und: Die Gefahr wachsender Altersarmut ist unübersehbar. Sie berichtet von vielen Begegnungen mit Kunden, die ihr sehr zu Herzen gegangen sind.
Der katholische Betriebsseelsorger Diakon Kurt Reinelt, der Ansprechpartner für Betriebsräte ist, beklagte, dass diese Arbeitnehmer in der Buchführung der Betriebe als Sachen geführt werden. Er forderte gleichen Lohn für gleiche Arbeit und die Einführung eines Mindestlohnes. Scharf kritisierte er die Praxis, Kräfte mit abgeschlossenem Studium längere Zeit nur als Praktikanten einzustellen und entsprechend gering zu bezahlen. Aufmerksam machte er auf die wachsende Kluft zwischen den Begüterten und den Armen, so dass das Gesamtsystem hinterfragt werden müsse.
Alfred Hornung, der Geschäftsführer des Job-Centers Nürnberger Land, bezifferte die Zahl der vom Jobcenter erfassten 1.908 Bedarfsgemeinschaften mit 3.415 Personen, von denen 495 Leistungen erhalten, obwohl sie in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Viele der vom Jobcenter betreuten Personen sind alleinerziehend und teilzeitbeschäftigt, obwohl sie gerne mehr arbeiten würden. Als Silberstreif am Horizont bezeichnete er den beklagten Fachkräftemangel, der die Beschäftigungschancen Arbeitsloser verbessern könnte. Trotz der in den letzten Jahren besseren Öffnungszeiten der Kindertagesstätten, hält er Ausweitungen in den Randzeiten für notwendig, um besonders die Beschäftigungsmöglichen Alleinerziehender zu verbessern.
Dr. Thomas Beyer, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und Landesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt in Bayern, ging auf die Verhältnisse im Freistaat ein. Danach bezogen im vergangenen Jahr 95.000 Personen ergänzende Leistungen als sog. Aufstocker, obwohl davon 49.000 in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen standen und zwischen 25.000 und 28.000 vollzeitbeschäftigt waren. Die für sie pro Jahr aufgewendeten 125 Mio € stellen im Ergebnis eine Subventionierung der Arbeitgeber aus öffentlichen Kassen dar. Die wachsende Armut zeigt sich in der Arbeit der AWO darin, dass Second-hand-Läden, Mittagstische und eine Fachstelle für Obdachlose betrieben werden müssen. Dr. Thomas Beyer forderte einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 € als Brandmauer gegen die Armut. Die Ausweitung der Leiharbeit muss zurückgenommen werden und es muss das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit gelten. Das gilt auch für die Bezahlung der weiblichen Arbeitskräfte.
In der lebendigen Diskussion wurde beklagt, dass es im Jobcenter häufig lang dauert, bis über die Anträge auf Leistungen entschieden wird, so dass sich die Betroffenen wochenlang in einer misslichen Lage befinden. Warum gibt es nicht mehr Sachbearbeiter? Angesprochen wurde auch die große Zahl von Leiharbeitern in manchen Betrieben und die neueste „Masche“ mit Werkverträgen die Verantwortung für Niedriglohn-Mitarbeiter an Subunternehmer weiterzugeben. Zur Sprache kam auch das Missverhältnis zwischen den Hilfsaktionen für die Banken und den Leistungen für Bedürftige. Dass alle aber durch die weitverbreitete „Schnäppchenmentalität“ letztlich mit an der Misere beteiligt wären, wurde von einem Teilnehmer angesprochen. Auch dadurch nehme der Druck für die Löhne zu. Es könne aber nicht sein, dass manche Arbeitgeber sich Wettbewerbsvorteile verschafften, indem sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Niedriglöhne bezahlten und sie zum Aufstocken an die Jobcenter verwiesen. Einigkeit bestand über die Notwendigkeit, dass die Bürgerinnen und Bürger solidarisch handeln, was für Arbeitnehmer die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft bedeuten kann, um miteinander gemeinsame Interessen wirkungsvoll durchsetzen zu können. In diesem Zusammenhang bedankte sich der Vorsitzende der Nbg.Land Tafel, Herr von der Oest, ausdrücklich für die Unterstützung durch Kommunen, zahlreiche Ehrenamtliche und eine Reihe großer Firmen. Dr. Beyer weiß darauf hin, dass die gegenwärtig von Seehofer propagierte Sparpolitk (Stichwort: schuldenfrei bis 2030) letztlich auf Kosten der Gemeinden und vieler freiwilliger Leistungen geplant sei. Dagegen werde die BayernSPD sich mit aller Macht zur Wehr setzen.