In spannenden Zeiten in Brüssel

12. April 2015

SPD on Tour bei EU und NATO

Mitglieder und Freunde der SPD Feucht informierten sich auf einem Europaseminar der Europäischen Akademie Bayern in Brüssel über die EU und über die NATO. Ralph Knobloch, Mitarbeiter der Akademie, stellte schon auf der Busfahrt die einzelnen Institutionen der EU vor: den Rat der Europäischen Union (Ministerrat), die Europäische Kommission und das Europäische Parlament (EP).

Zuerst wurde der Ministerrat besucht, der eine wichtige, wohl die mächtigste Rolle in den EU-Institutionen spielt, auch wenn die Europäische Kommission das alleinige Vorschlagsrecht für alle Verordnungen und Richtlinien hat. Jürgen Heise vom Besucherdienst des Ministerrats erläuterte das komplizierte und oft langwierige Verfahren bis eine Verordnung oder eine europäische Richtlinie beschlossen werden kann. Die Vorschläge der Kommission kommen zunächst in die Arbeitsgruppen des Ministerrats. Diese, dann die Botschafter der Mitgliedsstaaten bei der EU und der Ministerrat versuchen einen Kompromiss zwischen den 28 EU-Staaten zu finden. Anschließend ist das Europäische Parlament am Zug. Es stimmt entweder zu oder verlangt Änderungen. In diesem Fall geht es von vorne los. 16 bis 18 Monate dauert es meist, bis eine Richtlinie endgültig verabschiedet ist. Vielfältige Kompromisse sind zwischen dem 28 EU-Staaten auszuhandeln, bis eine qualifizierte Mehrheit aus mindestens 15 Mitgliedsländern, die dann auch mindestens 65 % der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen, geschafft ist. „Ein guter Kompromiss muss allen weh tun, aber jeder muss damit leben können“, erläutert Jürgen Heise, und berichtet, dass aber 80-85 % der Beschlüsse im Ministerrat einstimmig fallen.

Die Richtlinien müssen danach von den einzelnen EU-Staaten in nationale Gesetze umgesetzt werden, wobei es länderspezifische Anpassungen geben darf. Inzwischen beruhen 60-70 % aller national erlassenen Gesetze auf europäischen Richtlinien. Das macht deutlich, wie wichtig die EU für alle Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedsstaaten geworden ist.

Bei der Europäischen Kommission stellte Kurt Gaissert von der Generaldirektion Kommunikation die Geschichte der EU vor. Von der Schumann Deklaration 1950, die 1952 zur Montan-Union führte bis zu dem 2009 in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon.

Zurzeit wird von der Kommissarin und Außenbeauftragten Mogherini der diplomatische Dienst der EU ausgebaut, damit insbesondere in kleineren Ländern nicht alle 28 EU-Staaten eigene Botschaften unterhalten müssen, berichtete Gaissert.

Auch die Regionen und Städte haben in Brüssel ihre Vertretung im Ausschuss der Regionen, in denen die 16 Bundesländer sowie Städte-, Landkreis- und Gemeindetag vertreten sind.

Das Europäische Parlament (EP) war die letzte EU-Institution, die besucht wurde. Pavel Cernoch vom Besucherdienst des EP machte den Unterschied von Ministerrat und EP deutlich. Im Ministerrat und vorher in den Arbeitsgruppen und zwischen den EU-Botschaftern werden in nicht-öffentlichen Sitzungen Kompromisse ausgehandelt und Bündnisse geschmiedet. Im Europäischen Parlament dagegen ist alles öffentlich. Die überwiegende Mehrheit der Mitglieder des EP fühlen sich auch mehr als Europäer, denn als Vertreter der Einzelstaaten. Dies gelte allerdings nicht für die Vertreter der nationalistischen Parteien, betonte er. Vladimir Zizka, der Büroleiter des Bremer EP-Abgeordneten Joachim Schuster, machte in der Diskussion die Verhandlungsposition der europäischen Sozialdemokraten zu TTIP deutlich. Arbeitnehmerrechte nach Standards der International Labour Organisation (ILO), eine Positivliste derjenigen Dienstleistungen, die liberalisiert werden dürfen, und ein Verzicht auf Schiedsgerichte seien die „rote Linie“, die eingehalten werden müsse, betonte er.

Noch seien die Verhandlungen nicht abgeschlossen und die Verhandlungspositionen noch nicht transparent genug. Ein „gutes“ TTIP könne die Arbeitnehmerrechte stärken, Verbraucher- und Umweltschutz erhöhen und die Wirtschaft voranbringen. Ein „schlechtes“ TTIP werde aber hoffentlich keine Zustimmung im Europäischen Parlament finden.

Gruppe bei SHAPE

Auch SHAPE, das militärische Kommando der NATO für Europa, in Mons stand auf dem Programm. Oberstleutnant Klaus Richter führte die Besucher durch das SHAPE-Areal, eine Kleinstadt von circa 9000 Einwohnern mit Einkaufszentrum, Krankenhaus, Kita und Schulen für etwa 2000 Schüler. SHAPE ist zuständig für alle Operationen der NATO- Streitkräfte; es wird immer von einem US-General oder -Admiral geführt, der zugleich auch Kommandeur der US-Truppen in Europa ist. Die Oberstleutnante Richter und Klaus Harrer vermittelten ein differenziertes Bild über den Ukraine-Konflikt. Einerseits seien in der Vergangenheit die Empfindlichkeiten Russlands nicht berücksichtigt worden, andererseits sei die Annexion der Krim und das Vorgehen in der Ost-Ukraine ein Bruch des Völkerrechts. Einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine stünden nach ihrer Auffassung auf absehbare Zeit militär-technische Gründen entgegen, – z.B. die unterschiedliche Ausrüstung.

Natürlich kamen auch touristische Aspekte auf der Reise nicht zu kurz. Eine Stadtrundfahrt durch Brüssel zum Europa-Viertel, an den Königsschlössern vorbei und zum Atomium vermittelte einen Eindruck von der 1,1 Millionen Bewohner zählenden „europäischen Hauptstadt“. Einen Stadtrundgang mit Jos Keunen durch die Altstadt zeigte Brüssel von seinen schönen Seiten. Auf dem Grand Place, dem großen Markt, ist das gotische Rathaus von einer geschlossenen barocken Fassadenfront umgeben. Das Brüsseler Wahrzeichen, das Menneken Pis, ist immer von Fotografinnen und Fotografen umlagert und wirklich nur ein kleines Männchen.

Zum Abschluss der Fahrt ging es nach Mechelen in der Region Flandern. Eine Stadtführung zeigte den Grote Markt und die beeindruckende St.-Rombouts-Kathedrale. Vorbei am Haus des Vaters von Ludwig van Beethoven ging es unter anderem zum ehemaligen Fischmarkt, der heute mit seinen Straßencafes ein Treffpunkt der Jugend ist.

Ein interessantes und sehr informatives Programm hatte Else Dilfer mit der Europäischen Akademie Bayern zusammengestellt. Inge Jabs dankte ihr und Ralph Knobloch für die gute Betreuung und der bewährten Busfahrerin Irmi für die umsichtige und sichere Fahrt im Namen aller Teilnehmer.

Lothar Trapp

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