Matthias Dornhuber zu Europa

Matthias Dornhuber
SPD Burgthann

31. Januar 2024

Rede von Matthias Dornhuber auf dem Neujahrsempfang der SPD-Ortsvereine Feucht, Burgthann und Schwarzenbruck in Feucht.

Liebe Genossinnen und Genossen, meine sehr geehrten Damen und Herren,

vielen herzlichen Dank für die Einladung zu eurem wunderbaren Neujahrsempfang, es ist immer eine große Freude, hier bei euch in Feucht zu sein. Und auch ich wünsche euch und Ihnen natürlich alles Gute für das noch junge Jahr 2024, Gesundheit und Glück.

Ich darf heute als Kandidat für das europäische Parlament zu euch und Ihnen sprechen. Die Europawahl am 9. Juni scheint noch weit weg. Aber sie ist Teil dieses Jahres, in dem - wie unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier es ausgedrückt hat – sich zeigen wird, wie sich die Demokratie bewährt.

Rund die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung ist dieses Jahr an die Wahlurnen gerufen, in Indien, in den USA, aber eben auch in Europa. Und allen graut davor, dass Donald Trump in das Weiße Haus zurückkehren könnte. Aber auch hier in Europa steht viel auf dem Spiel. Die Gefahr einer konservativ-rechten Mehrheit im Europaparlament nach den Wahlen macht mir große Sorgen. Wir alle würden dann am 10. Juni in einer anderen Welt aufwachen. Die Bilder von hunderten Menschen, die in Rom mit dem Hitlergruß Salutieren; die neuen Berichte über die Vertreibungspläne für Millionen Menschen aus unserem Land, die Konservative und Rechte vor kurzem in Potsdam geschmiedet haben; das Unheil, das rechte Populisten und Konservative mit Lügen und Falschinformationen durch den Brexit über Großbritannien gebracht haben – all das muss uns alarmieren.

Großbritannien ist das traurige Beispiel dafür, welchen Preis die Bürgerinnen und Bürger zahlen, wenn sich rechte und Konservative Populisten mit ihren Lügen und Abschottungideologien durchsetzen. Über 160 Milliarden Euro könnte die Wirtschaftsleistung dort heute höher sein, hätte es den Brexit nicht gegeben. Auch die Schuld für Versorgungsengpässe und außerordentlich hohe Preissteigerungen sehen renommierte Wirtschaftswissenschaftler beim Brexit. Großbritanniens Exporte in die EU sind demnach 23 Prozent niedriger und die Importe aus der EU 13 Prozent niedriger als sie es wären, wenn das Land noch EU-Mitglied wäre. Die Briten leiden zahlen wegen des Brexits höhere Zinsen und leiden und höherer Inflation als die EU. Die Lebensqualität hat sich deutlich verschlechtert und es ist kein Wunder, dass es in vielen Umfragen wieder Mehrheiten für einen Wiederbeitritt zur Europäischen Union gibt.

Die EU ist ein unglaublich erfolgreiches Friedens- und Wirtschaftsprojekt. Die europäische Einigung hat den an ihr teilnehmenden Staaten nach Jahrhunderten immer wiederkehrender Kriege Jahrzehnte des Friedens gebracht. Die deutsche Wirtschaft profitiert außerordentlich von den Möglichkeiten des europäischen Binnenmarktes. Das hat uns viele gute Arbeitsplätze gebracht – Jeder fünfte Job in Deutschland hängt von Europa ab. Der Fachkräftemangel wäre ohne europäische Freizügigkeit schon viel größer. Über die europäische Ebene können wir wirksamen Klima- und Umweltschutz erreichen, ohne dass es zu Wettbewerbsverzerrungen unter den Mitgliedsländern kommt. Eine Abkehr von Europa wäre desaströs für unser Land. Parteien wie die AfD und ihre Konsorten sind allein deswegen eine Gefahr für unsere Gesellschaft und unseren Wohlstand, und sie sind auch eine Gefahr für unsere Demokratie, wie man in Polen und Ungarn sehen kann.

Sorgen bereitet mir aber vor allem das Verhalten der Konservativen. Wir brauchen den Schulterschluss der Demokraten über Parteigrenzen hinweg. Wir brauchen die klare Abgrenzung nach rechts, von der Sprache, den Methoden und den furchtbaren Ideologien der Rechten. Manfred Weber, der Vorsitzende der europäischen Volkspartei und stellvertretende CSU-Vorsitzende, spricht hierzulande davon, wie gefährlich die AfD sei und wie er sie isolieren wolle. Aber was mit große Sorge macht: Anderswo in Europa spricht er anders: „Das italienische Modell“ – also eine Postfaschistin zur Regierungschefin zu wählen – sei „für die EVP besonders interessant“. Die Koalition der italienischen Konservativen mit ihrer Ultrarechten Partei nennt er „Eine fruchtbare Zusammenarbeit über politische Familien hinweg, die auf gemeinsamen Werten basiert.“ und den Worten folgen Taten: Und im Europaparlament hat er den Schulterschluss mit den Rechten gesucht, um das europäische Gesetz zur Wiederherstellung der Natur zu stoppen. Überall in Europa – mit Schweden, Österreich, Italien und Spanien als prominenten Beispielen – haben die Konvervativen Parteien die Zusammenarbeit mit den Rechten gesucht. Sie haben sie damit nicht „entzaubert“, sondern leider oft nur stärker gemacht. Das darf nicht das Modell der EVP werden. Wir stellen all dem unsere Idee von Europa entgegen. Ein Europa des Friedens, der Zusammenarbeit, der wirtschaftlichen Stärke und des sozialen Ausgleichs.

Die letzten beiden Jahre haben viele Menschen auch hier in Deutschland vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Die Preissteigerungen, die für viele noch immer nicht ausgeglichen sind, waren schwer zu verkraften. Und sie haben Recht, wenn sie bessere soziale Absicherung fordern. Aber mit Konservativen oder gar Rechten wird es das nicht geben. Die aktuell aufgeheizte Atmosphäre und die Debatten über den Bundeshaushalt 2024 täuschen darüber hinweg, dass die SPD hat auch in Deutschland seit der Bundestagswahl gute Politik gemacht hat: Anders als von vielen befürchtet und von einigen herbeigesehnt hat es keine Knappheiten bei der Gas-, Strom- oder Wärmeversorgung in den vergangenen Wintern gegeben. Das war eine herausragende Leistung. Die Großhandelspreise für Gas und Strom liegen wieder auf und unter dem Vorkriegsniveau, auch wenn sie aufgrund von Vertragslaufzeiten noch nicht alle Verbraucherinnen und Verbraucher erreicht haben. Beim Solarausbau war 2023 ein Rekordjahr mit dem höchsten Zuwachs in der Geschichte, mehr als die Hälfte des 2023 in Deutschland verbrauchten Stroms stammte erstmals aus erneuerbaren Energien. Gleichzeitig erreichte im November 2023– dem letzten Monat, für den Zahlen des statistischen Bundesamts vorliegen – die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland über 46 Millionen, einen historischen Höchststand. Und nebenbei wurden mit enormen Entlastungspaketen die Härten für Millionen Menschen deutlich abgemildert. Ja, die Abstimmung in einer Koalition mit zwei so unterschiedlichen Partnern ist manchmal schwierig. Aber wer glaubt, dass diese Erfolge in einer Koalition mit der Union oder gar einer Koalition ganz ohne SPD denkbar gewesen wären, dass es den Menschen heute nicht sogar signifikant schlechter ginge, der täuscht sich gewaltig.

Das gilt auch für Europa: Nur die Sozialdemokratie hat das klare Ziel, aus dem erfolgreichen Friedens- und Wirtschaftsprojekt auch eine starke Kraft für sozialen Zusammenhalt zu machen. Wir haben die europäische Säule sozialer Rechte vorangetrieben. Europa braucht wieder eine stärkere Sozialdemokratie, damit das weiter vorangeht. Zu Zeiten des kürzlich verstorbenen Jacques Delors, des letzten ordentlichen sozialdemokratischen Kommissionspräsidenten, galt die Kommission nicht nur als Motor der europäischen Einigung, er hatte auch eine klare Vision für ein soziales Europa, ein Europa, das den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Sicherheit gibt auch im Wandel. Unter seinen konservativen und liberalen Nachfolgern ist das in den Hintergrund gerückt. Die Konservativen beklagen, Arbeiten lohne sich nicht mehr. Statt aber für höhere Löhne zu kämpfen, wollen sie die Unterstützung für Menschen, die auf sie angewiesen sind, unter die Vorgaben des Existenzminimums durch das Bundesverfassungsgericht drücken. Das Gegenteil ist richtig. Wir haben den Mindestlohn auf 12 Euro erhöht und hätten uns eine stärkere Erhöhung auch dieses und nächstes Jahr gewünscht. Auch hier kann Europa wirksam helfen. Auf Basis der europäischen Säule sozialer Rechte wurde 2022 die EU-Mindeslohnrichtlinie verabschiedet. Auf ihrer Basis müsste der Mindestlohn in Deutschland bei rund 14 Euro liegen, in diesem Jahr muss sie in den Mitgliedsländern umgesetzt werden. Das wird auch die Debatte hierzulande noch einmal anstoßen. Die Europäische Union kann ein wichtiger Akteur für soziale Politik sein – mit einer starken Sozialdemokratie. Das ist das Europa, für das wir kämpfen. Walther Percy Chrysler hat eins gesagt: „Das wahre Geheimnis des Erfolgs ist die Begeisterung.“ Wir wollen ein Europa, dass die Menschen begeistert. Wir wollen ein gerechtes Europa. Mit dem Einstieg in eine europäische Arbeitslosenrückversicherung, die Krisen automatisch entgegenwirkt. Mit einem europäischen Mindestlohnsystem, einem abgestimmten System von Grundsicherung und Sozialleistungen, mit gemeinsamen Steuerkorridoren und einer starken Strukturpolitik, die vor Ort ankommt und die Vorteile Europa sichtbar macht. Wir wollen ein wirksames europäisches Mitbestimmungsrecht und wollen dafür sorgen, dass auch globale Konzerne hier ordentlich Steuern zahlen. Wir wollen wirksamen Klimaschutz, der sozial gerecht finanziert wird und zum Jobmotor wird. Von unserer Europäischen Union profitieren alle – denn sie sichert gute Arbeitsbedingungen und gibt der arbeitenden Mitte Sicherheit. Wenn wir unser hart erkämpftes Sozialmodell nachhaltig für die Zukunft sichern wollen, müssen wir es als europäisches Modell verstehen und daran arbeiten, es zum globalen Standard zu machen – etwa über eine entsprechende Handelspolitik. Unser Sozialmodell, unsere Idee des guten Lebens steht unter enormem Druck. Wer unseren Sozialstaat erhalten will, wer unsere Arbeitsplätze mit guten Löhnen, mit Mitbestimmung, mit sozialer Absicherung und mit guten Renten erhalten will – der braucht eine sozialdemokratische Europäische Union. Wer will, dass unsere Wirtschaft umwelt- und artenfreundlich wird und klimaneutral, und dass sie gleichzeitig wettbewerbsfähig bleibt, der braucht eine sozialdemokratische, Europäische Union. Für all das kämpfen wir bei der Europawahl. „Um große Dinge zu erreichen, müssen wir nicht nur handeln, sondern auch träumen. Wir müssen nicht nur planen, sondern auch glauben." (Anatole France). Wir glauben an das Potential Europas. So, wie Jean Monnet und Jacques Delors an Europa geglaubt haben. Wir haben eine Vision eines starken, demokratischen, gerechten und friedlichen Europas. Europa ist unser Weg in eine gute Zukunft. Und deshalb stellen wir uns den Rechten mit ihren menschenfeindlichen, demokratiefeindlichen und für unsere Wirtschaft desaströsen Ideen entgegen. Die Europawahl entscheidet darüber, ob wir Europa stärken und voranbringen können. Oder ob rechte Parteien an Macht gewinnen, die Europa abwickeln und zerstören wollen.

Das Programm der Populisten und Rechtsextremen ist ein Verarmungsprogramm für unser Land und unseren Kontinent. Wir kämpfen dieses Jahr für jede Stimme für eine sozialdemokratische Europäische Union, weil nur die eine friedliche, demokratische, wirtschaftlich erfolgreiche, nachhaltige und den sozialen Ausgleich vorantreibende Europäische Union ist. Wir werden den Rechten und ihren Steigbügelhaltern nicht das Feld überlassen. Dafür bitte ich euch und Sie alle um Ihre Unterstützung in den nächsten fünf Monaten und bei der Europawahl.

Dass wir aus der Geschichte lernen, darf kein bloßes Lippenbekenntnis sein. In diesem Jahr kommt es auf uns alle an, und darauf, dass wir gegen die, die unser Land Spalten und unser Europa abschaffen wollen, zusammenhalten.

Danke und Glück auf für 2024!

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