SPD Feucht feiert 100 Jahre Freistaat Bayern

Franz Schindler

15. November 2018

Gut besuchter Festakt – engagierte Rede

Wegen der für die Demokratie in Bayern herausragenden Bedeutung des 8. November 1918 hatte die SPD Feucht zu einem Festakt eingeladen. Die Vorsitzende Inge Jabs konnte sich über den zahlreichen Besuch der Mitglieder und von Gästen freuen. In ihrer Begrüßung führte sie aus, dass die Demokratie damals von mutigen Menschen erstritten worden sei. Dagegen könne man heute das Gefühl haben, dass ihr Wert angezweifelt werde und die Sehnsucht nach Autokraten und Herrschertypen wachse. „Dem stellen wir uns entgegen und deshalb rufen wir mit dem heutigen Festakt die Wurzeln der Demokratie in unserem Land in Erinnerung“, fügte sie an.

Als Festredner hatte die SPD Feucht den Schwandorfer Rechtsanwalt Franz Schindler gewonnen, der im Oktober nicht mehr für den Landtag kandidierte. 28 Jahre war er Landtagsabgeordneter und davon 15 Jahre der Vorsitzende des Rechtsausschusses. Einigen Besuchern des Festaktes war er aus seiner Zeit als Kämpfer gegen die von der damaligen CSU-Staatsregierung in Wackersdorf geplante atomare Wiederaufbereitungsanlage persönlich bekannt.

Redner spannte einen weiten Bogen

Franz Schindler spannte in seiner engagierten und fesselnden Rede mit vielen aussagekräftigen persönlichen Bezügen fakten- und detailreich einen weiten Bogen von den Ereignissen im November 1918 bis in die Gegenwart.

Gleich zu Beginn kritisierte er, dass die Bayerische Staatsregierung den Versuch unternommen hat, mit der Konstruktion eines Doppeljubiläums „200 Jahre Bayerische Verfassung und 100 Jahre Freistaat“ die Bedeutung der Proklamation der Republik und des Freistaates in den Hintergrund zu schieben und damit die Bedeutung des Sozialdemokraten Kurt Eisner zu mindern, der den Mut zu der Proklamation hatte. In dieser Kritik durfte sich Franz Schindler durch das Verhalten des neuen Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder bestätigt sehen. Er hatte es fertig gebracht über 100 Jahre Freistaat zu reden, ohne den Namen Kurt Eisner nur zu erwähnen.

Kurt Eisner – ein Humanist

Das zeige, dass Kurt Eisner noch immer von konservativer Seite verkannt und nicht gewürdigt werde. Kurt Eisner, der von 1898 bis 1917 Mitglied der SPD war, ehe er 1917 aus Protest gegen die Haltung der SPD in der Kriegspolitik zur Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands übertrat, sei zu keiner Zeit Marxist oder gar Bolschewist gewesen, sondern zutiefst ein Humanist. Er rief einen Tag nach der Proklamation des Freistaates mit den Worten „Jedes Menschenleben soll heilig sein“ zur Gewaltlosigkeit auf. Er habe keine Diktatur des Proletariats angestrebt, sondern eine Demokratie mit dem Volk als Souverän. In den 100 Tagen, die Kurt Eisner als Ministerpräsidenten vergönnt gewesen seien, sei viel geschehen. Die Bevölkerung konnte mit Nahrungsmitteln versorgt werden. Das allgemeine und gleiche Wahlrecht - auch für Frauen – wurde ebenso wie der 8-Stunden-Tag eingeführt, eine Sozialministerium eingerichtet, die Schulaufsicht der Kirchen abgeschafft, was die Feindschaft der katholischen Kirche eingebracht habe, und das Zölibat für Lehrerinnen aufgehoben, die bis dahin nicht verheiratet sein durften. Die Revolution im November 1918 sei unblutig gewesen und erst nach der Ermordung Kurt Eisner durch den adligen Reaktionär Anton Graf Arco auf Valley in Gewalt auf beiden Seiten umgeschlagen.

Dilemma der Weimarer Republik

Ein Dilemma der Weimarer Republik sei es gewesen, dass mit dem Ende des 1. Weltkrieges die antidemokratischen und reaktionären Kräfte ja nicht weg gewesen seien. Adolf Hitler habe nach dem gescheiterten Putsch im November 1923 im Gefängnis eine Vorzugsbehandlung genossen, wurde vorzeitig entlassen und später von der Großindustrie gefördert. Der Spruch „Jeder Schuss ein Russ, jeder Tritt ein Brit, jeder Stoß ein Franzos“ spukte noch in vielen Köpfen. Daher habe das 1925 beschlossene „Heidelberger Programm“ der SPD, das schon damals ein klares Ja zu einem gemeinsamen Europa beinhaltete, wenig Resonanz gefunden. Die SPD sei zu schwach gewesen, um den Niedergang der Ersten Republik aufzuhalten. Sie habe den 1933 eingetretenen Zivilisationsbruch nicht verhindern können. Aber die Reichstagsabgeordneten der SPD hatten als einzige die Kraft und den unbeugsamen Mut, im März 1933 das Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten abzulehnen, mit dem die Demokratie abgeschafft wurde. Franz Schindler rief die Bücherverbrennung unter dem Jubel von Professoren und Studenten vom Mai 1933 und die schrecklichen Ereignisse im Zuge der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 in Erinnerung,

Demokraten sind gefordert

Weil das 3. Reich glücklicherweise nur 12 Jahre dauerte, könne man 100 Jahr nach der Proklamation des Freistaates doch auf 87 Jahre Demokratie in Bayern zurückblicken, weil nach dem Ende des 2. Weltkrieges die Demokratie in unserem Volk Fuß gefasst habe. Für Franz Schindler war es selbstverständlich, in diesem Zusammenhang auf die Verdienste der Sozialdemokratie einzugehen. Mit Wilhelm Hoegner gehörte ihr nach seiner Rückkehr aus dem Exil einer der führenden Köpfe in der ersten Nachkriegszeit an. Er wurde von den Amerikanern als Ministerpräsident eingesetzt und gilt als Vater der Bayerischen Verfassung, die unverändert modern sei und darauf warte, in vollem Umfang ernst genommen zu werden.

Wie die Zeit nach dem Ende der beiden Weltkriege gezeigt habe, ist es für Franz Schindler unbestritten, dass Sozialdemokraten immer gefragt gewesen seien, wenn es darauf angekommen sei, in schwieriger Lage Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen. Sie hätten immer auf der Seite der sogenannten einfachen Leute gestanden und seien für Freiheit, Rechtsstaat, Bürgerrechte und für Europa eingetreten.

Demokraten seien auch heute gefordert, weil sich ähnlich wie in der Weimarer Republik wieder Kräfte bemerkbar machen, die sich darin gefallen, den Parlamentarismus, die Politiker verächtlich zu machen und ebenso in Frage zu stellen wie die Gleichheit der Menschen. Sie betonen das Völkische, sprechen von der Homogenität des Volkes und grenzen andere aus. Dem müsse ein entwickeltes demokratisches und republikanisches Bewusstsein, dessen Fehlen er beklagte, entgegen gestellt werden, appellierte Franz Schindler am Ende seiner 90minütigen begeisternden und mit viel Beifall aufgenommenen Rede.

Franz Schindler und Inge jabs
Franz Schindler und Inge Jabs

Hannes Schönfelder

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