Talk statt Frontalreferat

09. November 2012

SPD-Generalin Natascha Kohnen zu Besuch in Feucht

Von Gisa Spandler, Der Bote am 9. November 2012

Die FDP hätte man ihr gerade noch zugetraut: Bei ihrem ersten Termin im Landtag wollte man SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen zunächst gar nicht ins Landesparlament lassen, weil sie angeblich zu jung sei. Schließlich fand sie sich in den Sitzreihen der FDP. Doch die junge Genossin verkörpert durch und durch sozialdemokratische Werte. Beim Gespräch auf dem Roten Sofa stellte sie dies engagiert unter Beweis.

SPD-Ortsvorsitzende Inge Jabs und ihr Kollege aus dem Marktgemeinderat, Ernst Klier, begrüßten die knapp 50 Gäste, die sich für den Talk in der Reichswaldhalle mit der streitbaren Sozialdemokratin interessierten. Einmal mehr bewies diese Veranstaltungsform ihre Publikumstauglichkeit, denn nicht in einem steifen Frontalreferat und auch nicht als bürgerferne Experten-Podiumsdiskussion gestaltete sich diese Parteiveranstaltung, sondern als lockeres Gespräch, ein unkompliziertes Frage- und Antwortspiel, das gleichwohl jede Menge Information enthielt. Im ersten Block wollte Marktgemeinderätin Petra Fischer von Natascha Kohnen wissen, wie sie denn zur Politik, speziell zur sozialdemokratischen, gekommen sei. Verschiedene Schlüsselerlebnisse gab es da im Leben der jungen Natascha, ein Schulrektor, der sie ermunterte, nach Wackersdorf zu fahren, ihre Mutter, die Wahlkampf für Willy Brandt gemacht hat, und ein Auftritt von Helmut Schmidt auf dem Marienplatz in München. Ihr erster Anlauf 1993, in die Partei einzutreten, ging schief und hing wohl mit der Person Otto Schilys zusammen. Eher durch Zufall lernte sie eine SPD-Bürgermeisterkandidatin im Oberbayerischen kennen, der niemand Chancen eingeräumt hatte und die es dann mit Kohnen im Wahlkampfteam auf den Rathaussessel schaffte.

Engagiert vertrat Natascha Kohnen (links) ihre Thesen auf dem Roten Sofa, hier mit Marktgemeinderätin Petra Fischer.

Auf kritische, aber auch humorvolle Weise berichtete die studierte Naturwissenschaftlerin von den Niederungen der Kommunalpolitik, die sich allerdings als gute Schule für die Nachwuchspolitikerin erwies, die es schließlich mit einem Überhangmandat in den Landtag schaffte. Als Voraussetzungen für diesen Job nannte sie auf Fischers Fragen „viel Energie, Spaß an dieser besonderen Arbeit, Gelassenheit und Humor“. Die Tatsache, dass man mit einer gewissen Leichtigkeit Dinge angehen und verändern kann, schätzt sie an ihrer Tätigkeit zudem. Eine wichtige Rolle spielte auch ihre Berufung in die Grundwertekommission der SPD durch Julian Nida-Rümelin, wo sie ihre ganz besonderen Anliegen „Grenzen des Wachstums“, „nachhaltiges Handeln“ und – im Zusammenhang mit ihrer Mitgliedschaft im Umweltausschuss – die Energiewende thematisieren konnte. Unter großem Applaus der Anwesenden nannte sie als wichtigstes Ziel ihrer Politik natürlich den Regierungswechsel in Bayern.

Konkreter wurde die Diskussion, als sie Ernst Klier zu wahlkampfnahen Themen befragte. Einen „Ude-Hype“ habe sie von Anfang an verhindern wollen, weil die Umfragen, die schnell steil nach oben steigen, nie dort bleiben. In diesem Zusammenhang stellte sie fest, dass sie von Umfragen wenig halte, weil die sich erstens kontrovers auslegen ließen und zweitens nur allzu oft nicht unabhängig in Auftrag gegeben würden. Dennoch ließ sie sich zu einer Einschätzung hinreißen, was den Wahlausgang im nächsten Jahr angeht: „Da wird es am Schluss nur um 2 bis 3 Prozentpunkte gehen“, meinte sie zuversichtlich und hatte durchaus ihre eigene Partei auf der Rechnung, denn „zur absoluten Mehrheit für die CSU reicht es nicht“ und die FDP werde nicht mehr im Parlament vertreten sein.

Ureigenst sozialdemokratisch

Zu den ureigensten sozialdemokratischen Themen hatte Kohnen ebenfalls eine ganze Menge zu sagen. Die Tatsache, dass Arm und Reich immer weiter auseinander klaffen, lässt sich aus ihrer Sicht nur durch konsequente Arbeit im Bildungsbereich bremsen. Bildung als wichtigster Rohstoff, dessen Nutzung langfristig für gesellschaftliche Teilhabe, Gerechtigkeit und Chancengleichheit sorgen werde, ist ihr ein ganz besonderes Anliegen. Sie wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Bayern zwar als wirtschaftlich starkes Bundesland gelte, bei der Rente der Frauen mit durchschnittlich nur 506 Euro aber das Schlusslicht bilde. Und trotz der Wirtschaftskraft Bayerns werde jeder vierte Arbeitnehmer nur in einem „atypischen“ Arbeitsverhältnis beschäftigt, also befristet, in Teilzeit, als Leiharbeiter oder mit einem Werksvertrag. Von diesem „verheerenden“ Notstand ausgehend schlug sie die Brücke zu ihrem weiteren persönlichen politischen Betätigungsfeld, der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und hier speziell die Gleichstellung von Mann und Frau auf dem Arbeitsmarkt.

Schlagworte, die hier nicht nur reflexartig fielen, waren die Verhinderung des Betreuungsgeldes, Ausbau der Ganztagsschulen, Mindestlohn, notwendige Frauenquote, Vermögenssteuer und Korrektur am Spitzensteuersatz. Eines ihrer Lieblingskinder sei daher ein Vergabegesetz, das sie gern in Bayern durchsetzen möchte und dass die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an eine Frauenquote, Mindestlohnforderungen und andere sozialverträgliche Bedingungen knüpfe.

Selbstverständlich war die SPD-Frau auch gut mit statistischem Material ausgestattet, als sie auf dem Roten Sofa der Feuchter Genossen Platz nahm. So untermauerte sie die Notwendigkeit der Beseitigung des „Paygap“, also der Differenz zwischen der Bezahlung männlicher und weiblicher Arbeitskräfte, mit folgenden Zahlen: Im gesamten Bundesgebiet sei die Differenz im vergangenen Jahr von 23 Prozent auf 22 Prozent minimal geschrumpft, während sie in Bayern in der gleichen Zeit von 23 auf 26 Prozent gestiegen sei.

Dass Wahlkampfzeiten vor der Tür stehen, wurde weniger durch Attacken auf den politischen Gegner deutlich als durch profiliertes Vorstellen der eigenen Gegenkonzepte und durch ein Herausstellen der Taktiererei der Christsozialen. So amüsierte sie sich über den „Kuhhandel“ der Koalitionsparteien auf Bundes- und Landesebene und spekulierte über das Verhalten der CSU im Hinblick auf das angedrohte Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren. Sollte sich Seehofer mit seinem angedeuteten freiwilligen Rückzieher nicht durchsetzen können, dann „gehen wir mit Vollgas ins Begehren“, versicherte sie, denn kostenfreie Bildung sei eine Grundvoraussetzung für Teilhabe an der Gesellschaft.

Im dritten Teil der Veranstaltung hatten die Anwesenden die Möglichkeit, gezielt Fragen zu einzelnen Themenkomplexen zu stellen. Sortiert und ausgewählt wurden die von Hannes Schönfelder, der sich mühte, die interessanten, teils sehr ins Detail gehenden Fragen zu sichten und an die Generalin zu richten. Musikalisch umrahmt wurde der kurzweilige Polit-Talk von Peter Pölloth mit seiner Band.

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