Die SPD Feucht Hatte zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Flexible Arbeit – Fluch oder Segen?“ eingeladen. Angelika Weikert, die im Landtag unter anderem Sprecherin für das Thema Arbeitsmarkt ist, stellte ihre Sichtweise sowie die Gedanken der SPD dazu dar. Lutz Bellmann vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung konnte mit Zahlen, Fakten und Studien einen Überblick verschaffen. Zudem legte Stefan Keller, der bei Noris Network arbeitet und selbst schon lange flexible Arbeitszeiten nutzt, seine Meinung dar. Marktgemeinderat Ernst Klier von der Feuchter SPD moderierte die Diskussion.
Grundsätzlich kann zwischen einer starren und einer flexiblen Arbeitszeit unterschieden werden. Bei ersterer ist Arbeit und Freizeit klar getrennt, wohingegen bei der flexiblen Arbeit die Grenzen fließend sind. Einig waren sich die Teilnehmer, dass Zeit für Familie und sich selbst heute Frauen wie auch Männern wichtig ist und nicht mehr einseitig die Karriere im Vordergrund steht. Dabei kann flexible Arbeit hilfreich sein, sofern der Arbeitnehmer flexibel agieren kann und nicht von Vorgesetzten kurzfristig beschlossen wird, wann gearbeitet werden muss.
Lutz Bellmann berichtete, dass es jetzt ein neues Arbeitszeitgesetz geben solle. Dabei soll nach Willen der Union beispielsweise statt einer festgelegten maximalen Tagesarbeitszeit nur noch eine Wochenarbeitszeit festgelegt werden. Auch gibt es interessante Aspekte beim Blick in Nachbarländer: So haben in den Niederlanden die Arbeitnehmer mittlerweile das Recht auf einen Tag Homeoffice pro Woche. Auch zeigte Lutz Bellmann auf, dass die Anzahl der Beschäftigten, die Samstags oder Sonntags arbeiten, deutlich angestiegen ist.
Stefan Keller betonte, dass er seit fast 30 Jahren flexible Arbeitszeiten habe und diese grundsätzlich auch schätze. Aus seiner Sicht ist die Arbeit in Verbindung mit dem Internet oft flexibel und da immer mehr Menschen in diesem Bereich arbeiten, sei auch das Thema präsenter geworden. Außerdem würden immer mehr Menschen im dienstleistenden Gewerbe arbeiten, statt in der Produktion – und dort sei der Anspruch, möglichst lange offen zu haben beziehungsweise erreichbar zu sein.
Angelika Weikert ist der Meinung, dass die Politik bei diesem Thema nur den Rahmen vorgeben könne. Sie sollte Minimal- sowie Maximalbedingungen formulieren. Weitere Reglungen könnten durch Tarifverträge oder einzelne Absprachen getroffen werden. Angelika Weikert stellte fest, dass Arbeit beschleunigt, flexibler, globaler und durch die Digitalisierung auch stärker kontrollierbar wird. Die Landtagsabgeordnete wies zudem darauf hin, dass es auf der einen Seite Menschen gäbe, die viel arbeiteten und gerne weniger arbeiten würden und auf der anderen Seite Personen, die wenig arbeiteten und gerne mehr arbeiten würden – dies treffe vor allem auf Frauen in Teilzeit oft zu.
Die SPD arbeitet im Moment daran, wie der Arbeit durch die Politik ein sinnvoller Rahmen gegeben werden kann. Noch gibt es dazu wenig Konzeptionelles, aber zumindest ein Positionspapier, in welchem die SPD vier Gedanken zum Arbeitszeitgesetz in den Vordergrund stellt:
Das Recht auf Nichterreichbarkeit.
Das Recht auf Orts- und Zeitsouveränität der Arbeitnehmer.
Mehr Freiraum für Familie (Partner, Kinder und Pflege von Angehörigen) sowie dem Ehrenamt.
Ein Rückkehrrecht in Vollzeit nach Teilzeit.
Die Union sieht vor, statt Tagesarbeitszeitgrenzen Wochenarbeitszeitgrenzen einzuführen. Hier stellt sich die SPD klar dagegen: Sie will die aktuelle Grenze von 8 Stunden Regelarbeitszeit bzw. maximal 10 Stunden Arbeitszeit beibehalten.
Einig waren sich die Podiumsteilnehmer wie auch die Zuhörer, die an diesem Abend auch oft mitdiskutierten, dass die Ziele von Unternehmen oft auf den einzelnen Mitarbeiter herunter gebrochen würden. Dadurch fühlten sich auch die Arbeitnehmer direkt verantwortlich und würden sich somit selbst Zeitdruck und Stress aussetzen. Da Menschen aber auch Pausen brauchen, sei es wichtig, dass flexibel arbeitende Personen sich selbst schützten und eigene Grenzen zögen.
Angelika Weikert wies darauf hin, dass unser Streben nach Höchstleistungen auch dazu führen könnte, dass die Qualität sinke, da der Mensch eben nicht 200% leisten könne. Noch 1993 gingen 15% der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen früher in Rente, während es 2014 bereits 42% waren – der Hauptgrund hierfür seien psychische Erkrankungen. Müsse der Mensch vor sich selbst geschützt werden, um Burnout und Depressionen vorzubeugen, fragte Moderator Ernst Klier.
Einige Aspekte kann und will die Politik nicht berühren – denn sie will den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu arbeiten haben. Allerdings kann und sollte die Politik Rechte festschreiben, um die Arbeitnehmer zu schützen. Hierbei befindet sich die Politik jedoch immer in einer Gratwanderung zwischen Schutzregeln und staatlicher Bevormundung. Und auch jeder Verbraucher ist in der Verantwortung und muss selbst entscheiden, ob er wirklich lange geöffnete Supermärkte den kleinen Familienbetrieben vorzieht und an verkaufsoffenen Sonntagen Shopping machen muss.
Abschließend wies Lutz Bellmann darauf hin, dass flexible Arbeit in Zukunft auch so gedacht werden könnte, dass sie im Lebenslauf flexibel wäre: Dann wäre es selbstverständlich, dass Frauen und Männer in Familienzeiten weniger arbeiten würden und in anderen Lebensabschnitten mehr.
Lisa Huber